Mit dem Titel „Vor dem Gesetz“ hat der Dichter die Erzählung noch selbst veröffentlicht. Er hatte sie aus dem Kapitel „Im Dom“ seines Prozeß-Romans heraus-gelöst, den Max Brod nach dem Tod Kafkas als erstes der nachgelassenen Werke seines Freundes herausgab. Weil durch die einzigartig faszinierende neue Bilderwelt dieses Romans Kafka sofort Weltruhm erlangte, verur-sachte die heute offensichtlich falsche Reihenfolge seiner Kapitel auch umgehend das Dilemma, das Hand-lungsgeschehen nicht als einheitliches und organisches Sinngefüge erkennen oder gar verstehen zu können. Der leider unerkannt gebliebene katastrophale Fehler Brods hatte verheerende Folgen, die das Bild des genialen Dichters bis ins Absurde verzerrten. Noch heute ist der groteske Begriff „kafkaesk“ der gebräuchliche Ausdruck für ein unentwirrbares Durcheinander, für unauflösbare Rätsel und verzweifelte Ausweglosigkeiten. Mit Kafka hat das allerdings längst nichts mehr zu tun!
Kafkas Türhüterlegende als das Schlüsselwerk seiner Dichtung